Für Jean-Christophe Ammann
- "Blitzschlag
mit Lichtschein auf Hirsch"
Überlegungen zum MMK Konzept
- Kunst im
öffentlichen Raum/Kunst am Bau
Risikowürdigung des Privatengagements
- Freie
Kunstinitiativen
Der Luxus, temporär, situativ und prekär zu arbeiten
1.
Vor 13 Jahren durfte ich eine Zeit
im damaligen Museumsbüro am Sachsenhäuser Ufer als
studentische Hilfskraft arbeiten.Der Rohbau war am
Anfang. JeanChristophe Ammann lebte damals noch in der
Schweiz und begann gleichzeitig seine Konzeption für
das entstehende Museum mit dem geplanten Museumsbau
zu verbinden. Wenn dann regelmäßig Gespräche
zwischen dem Architekten des Museums, Hans Hollein,
und dem kommenden Museumsdirektor im Büro anberaumt wurden,
begann bei uns Studenten die Anspannung schnell zu wachsen,
denn diese Gespräche waren grundsätzlicher Natur.
Alle mußten
aus dem Weg, um Architekt und Ausstellungsmacher bei ihren
Lösungsfindungen nicht zu stören. Prinzipiell
standen hier das Architekturkonzept eines künstlerischen
und maß geschneiderten Museumsbaus einem ungewöhnlichen
und höchst flexibel gedachten Museums konzepts
gegenüber. "Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch"
war eines der Streitthemen im gemeinsamen Umgang mit
der Palette der Möglichkeiten zur Erstellung des neuen
Museums. Durch den Gründungsdirektor Peter Iden
war der Kauf eines der fünf Exemplare von "Blitzschlag
mit Lichtschein auf Hirsch" vor der Bestellung von JeanChristophe
Ammann getätigt worden, und Hans Hollein hatte
in einer beachtlichen Homage an seinen schon verstorbenen,
frühen Förderer Joseph Beuys einen eigenen
Raum offen über zwei Stockwerke als Herzkammer des "Tortenstücks"
für das Werk entworfen. Das gewissenhaft entwickelte
Arrangement der Teile dieses Kunstwerkes wurde in den
nunmehr zehn Jahren des Bestehens nie maßgeblich verändert.
Das bis heute einzig artig radikal gedachte Konzept
der Szenenwechsel als Vitalbetrieb eines Museums nutzt den
Raum, in dem der "Blitzschlag mit Lichtschein
auf Hirsch" installiert wurde, gewissermaßen als
Fixpunkt innerhalb der mobilen Dramaturgie von älteren
und neuen Kunstwerken und deren möglichen Be ziehungsgeflechten.
Ich könnte mir vorstellen, daß die Reflexion über
das Werk von Joseph Beuys eines Tages erlaubt, auch
dieses Werk in den Szenenwechsel einzubeziehen, indem von
Zeit zu Zeit weitere fundierte Aufbauinterpretationen
erprobt werden. Die Werkstücke von "Blitzschlag
mit Lichtschein auf Hirsch" sind von ihrer Machart
bewegbar. Diese Möglichkeit im Umgang würde sich
zum Beispiel bei den Vitrinen im Darmstädter BeuysBlock
ausschließen auf Grund ihrer materiellen
und inneren Subtiliät und der Orginalinstallation durch
Beuys selbst. All die in Darmstadt notwendigen Vorsichtsmaßnahmen,
die Eingriffe ohne Schaden unmöglich machen, fallen im
Frankfurter Werk nicht ins Gewicht. Interpretationen sind
möglich. Das beweist der apokalyptische Unterton, den
Heiner Bastian diesem Werk gab anläßlich seiner
documenta 8Inszenierung 1987 im Gegenlicht des Hauptraumes
des Kassler Fridericianums als Beweis des Scheiterns seiner
eigenen Utopie. Auch in Frankfurt wird der erwähnte Spielraum
sichtbar offener thematisiert seit Lawrence Weiners
sehr schönes Textbild an der Wand im Raum von "Blitzschlag
mit Lichtschein auf Hirsch" eingeladen ist, mit den von
JeanChristophe Ammann arrangierten Bestandteile des BeuysWerkes
gewissermaßen ins Gespräch zu treten.
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2.
Kunst im öffentlichen Raum und
Kunst am Bau beinhaltet einen gewissen Anteil an zwangsverpflichteter
Rezeption. Anders als bei einem Museums oder Galeriebesuch
kann sich der Strassenpassant sowie der Mitarbeiter oder Besucher
eines privaten oder institutionellen Dienstleisters die angebotenen
Reize nur zum Teil aussuchen. Das stellt besondere Anforderungen
an die Vermittlung und an die Kunst. Erfahrene Mentoren
oder Jurys und verantwortliche Geldgeber wecken die Neugierde
nicht nur für das Neue, Rätselhafte, sondern fördern
mit dem zu entwickelnden Zeichen auch kritische Fähigkeiten
und aktive Selbstbestimmung und Verantwortung für das
Ganze. Motivierend ist bei allen Teilnehmern der Gestaltungswille.
Gerade bei Kunst im öffentlichen Raum beweist sich die
notwendige Laborsituation für die Kunst mit den Zutaten
Selbstlosigkeit, Vertrauen und Risikobereitschaft, als besondere
Herausforderung. Andererseits ist es bei Entscheidungen
zu Kunst im öffentlichen Raum nur allzu menschlich, daß
die Beteilgten schnell mit der Not sich mit der Kunst beschäftigen
zu müssen, fertig werden mächten, ohne Prozess,
ohne Entwicklung oder Genese nur praktische Lösungen
bitte! Denn die Kunst ist an dieser Stelle kein kalkulierbarer
Profit, sondern ein irritierender Kostenfaktor. Die gewünschten
Kriterien und Verfahrensregeln für die Auswahl stolpern
meist über die ungeklärte Aufgabe, über die
uneingestandene Subjektivität, über unbeirrbare
Erfahrungen und über unhinterfragte Rechte und Macht.
Hier setzt JeanChristophe Ammann mit Fingerspitzengefühl
und Realitätssinn Impulse, sowohl für die Künstler
wie auch für die beteiligten Unternehmensvertreter. Das
Modell ist das langfristig gedachte Engagement von Persönlichkeiten.
Kunst im öffentlichen Raum wie auch Kunst am Bau werden
in der Regel zu Zeichen der Machbarkeit und der Veränderbarkeit
gesellschaftlicher Auffassungen, die über die
eigene Lebensspanne hinausweisen. Darin manifestiert sich
eine Kontinuität in der Kunst und der Gesellschaft. Neben
dem Wunsch, den Tod durch Manifestationen in Schach zu halten,
steht allerdings auch die Neigung, sich durch Dekoration und
Ornament abzulenken. Werden Manifestation und Neigung
nicht spielerisch eingesetzt, so tritt zu Tage, daß
wir je älter wir werden, persönlich wie auch
was unsere Auffassungen von dem, was Gesellschaft für
uns darstellt unsere Mäglichkeiten sklerotischer
empfinden. Sowohl aus einer spielerischen wie auch aus einer
verfestigten Perspektive möchte man den kommunikativen
Aspekt der Kunst hervorheben. Der Austausch zwischen Menschen
über das, was als menschlich gilt, wird in den Mittelpunkt
gestellt. Der schöne Schein und die Verführung können
dabei als Vehikel für das beginnende Interesse dienen
und stehen einer tieferen Auseinandersetzung nicht prinzipiell
im Weg. Kunst im öffentlichen Raum stellt ein Bild her
für die Fragen und Schwierigkeiten bei der unabschließbaren
Suche nach dem Gemeinsamen. Diese Bilder zu initiieren, ist
nicht die Aufgabe von ergebnisorientierten Organisatoren.
Diese Bilder stehen heute viel mehr für eine sich in
Frage stellende Gemeinschaft von engagierten Teilnehmern!
Herrschaftsverhältnisse, in denen sich bestimmte Interessen
wahrscheinlicher durchsetzen als andere, behindern Innovationen.
Wenn wir uns mit unserem liebgewonnenen Besitz an Vorstellungen
zurücknehmen, können unerwartet heilsame Ereignisse
eintreten. So etwas wie Offenheit zuzulassen gegenüber
sich selbst, der Kunst und den anderen ist schon eine erste
ernstzunehmende Leistung.
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3.
Offenheit ist nicht zu verwechseln
mit einer Art irrgläubigen Wunsch, die eigentliche Kunst
möge sich besonders gerne in freien Kunstinitiativen
ausdrücken wollen. Das Irrgläubige resultiert aus
der Vorstellung, nicht Mitverantwortung tragen zu wollen.
Das Unambitionierte dieses Freispruchs würde dem Versuch
entspringen, die Offenheit romantisch in idyllischen
Hinterhöfen zu domestizieren und sich eventuell einem
bloßen Überdruß an Kunstinstitu tionen
hinzugeben. Unter diesen trügerischen Prämissen
steht der zugebilligte Luxus, temporär, situativ und
prekär zu arbeiten in der Kunst wie auch in der
Wirtschaft zunehmend als unweigerliche Glücksmetapher
und vermeintlicher Erfolgsgarant. Zunehmend wird Arbeit
als das definiert, was wir tun, weniger als das, was an uns
vergeben wird. Besonders in der Kunst entwickeln sich dabei
kleine, wechselnde Gruppen. Nicht Konformität gegenüber
den vorge gebenen Identifikationsmustern, sondern Unmäßigkeit,
auch gegen die eigenen Ressourcen, erschließt hier die
Kraftquellen. Dafür ist es notwendig, den Einzelnen
als wirksam zu erleben. Das erkennen am schnellsten die
immer stärker werdenden Großsysteme in Wirtschaft
und Kultur, auch wenn es an den praktikablen Umsetzungs
möglichkeiten für das "adventure capital"
hapert. Die erfahrene Abwicklung kann die Innovation nicht
ersetzen. Die persönliche Eigeninitiative ist vonnöten
und sucht sich mehr und mehr Wege der öffentlichen Darstellung.
Dazu gehören Erinnerungen und Nachbarschaften wie auch
das Benennen von Differenzen. Die hierarchiefreieren Möglichkeiten
des Rückfragens in kleineren, selbstorganisierten und
wechselnden Systemen machen den über greifenden Horizont
der eigenen und der gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten
deutlich. Ein allzu konsistentes Produkt ist zwar im größeren
Stil vermarktbar, allerdings entlarvt sich dieses auch schnell
als ermattendes Beispiel einer Unterhaltungs und Versorgungsideologie
auf hohem technischen Niveau. Der Zwang zu vermarktbaren
Produkten erstickt sein Umfeld. Produktivität hingegen
entfaltet sich in der Phase des sich entwickelnden
Überschwungs. Kunst beinhaltet die sportive Übung,
Systemänderungen denken zu lernen. Selbstvertrauen steht
der Selbstzensur gegenüber. Die Hinterfragung der Vorgaben
und das permanente Erfühlen der eigenen Biographie führen
den Willen zu neuen Zielen: Besitz und Privilegien stehen
auf neue Art der Teilhabe an der Kultur gegenüber. Auch
die Kritik wird zunehmend Beitrag und verläßt ihre
angestammte externe Sicht. Kontinuität wird komposit
gedacht, synergetisch. Die Vorstellung von Kraft durch Gefälle
kommt aus der Mode. Zwar wird dem Gesetz der Massenanziehung
nach Belieben gefrönt, es ist aber nicht in der Lage,
den Einzelnen in den Blick zu bekommen. JeanChristophe
Ammann unterstützte nicht zuletzt in seiner Arbeit als
Vorstandsmitglied der Hessischen Kulturstiftung auch
unspektakulär erscheinende Kunstinitiativen am Beginn
ihrer Entwicklung, die sich gewissermaßen qua Konzept
nicht oder nur von Fall zu Fall etablieren wollen.
Konstantin
Adamopoulos
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