Artikel für artist Kunstmagazin

Herbert Warmuth vertritt durchaus eine traditionelle Bild-Auffassung.
Im Prozess der Arbeit entwickelt der Maler eine Art Modul oder Ausgangs-Konzept. Von dieser Grundstruktur ausgehend entsteht dann eine offene Werk-Gruppe. Innerhalb dieser künstlerischen Phase erarbeitet er einzelne, sinnlich erlebbare Bilder. Das individuelle Bild ist das durchgängige Thema. Auch wenn er als Maler den Raum bearbeitet, handelt es sich im engeren Sinn um keine Installation, sondern um ein Bild.

Künstlerische Konzepte zur Auflösung beziehungsweise zur Überwindung des Bild-Anspruches reizen ihn wenig. Die intellektuelle Freiheit allein bietet keinen Halt. Für ihn ist die verbindliche, engagierte Form notwenig. Auf der Suche nach neuen Bild-Formen braucht er den positiven Ansatz. Die Materialisierung des Bild-Objektes bildet das sinnliche und intellektuelle Erlebnis. Die Ausgangssituation einer konzeptuellen Vorgabe gibt den notwendigen und konkreten Anlaß zum Malen. Gemälde, Schachteln, Waschbecken und ganze Räume können zu neuen Bildern werden.

1987 hatte eine Einzelausstellung des 1960 geborenen Malers den Titel "Der Mensch ist 8 Köpfe groß". In diesem Themenkomplex vereinfachte und variierte Herbert Warmuth das Bild des Kopfes in seiner Malerei sowie als Papier- oder Stoffschnitt. Über mehrere Jahre entstanden reduzierte Farb-Flächen zwischen denen sich eine Ovalform ergab. Innerhalb des individuellen Bildes funktionierte die ovale Kopfform als formale Gegenfläche zu den Farbfeldern. Betont wurden ihre Schnittlinien. Die Zuordnungen der geschnitten scharfen Flächen und deren jeweilige malerischen Farbqualitäten erzeugten die individuelle Bild-Spannung.

Wie ein warmherziger Dilletant, schnitt und klappte er vorgefundene Kartons und Schachteln in der gleichen Formsprache so auf, daß wieder Köpfe mit Ohren oder Flügeln entstanden. Sicher war da, wie immer bei Herbert Warmuth, auch eine gewisse Portion Selbstironie gegenüber der eigenen Malerei im Spiel. Eine selbständige Werkgruppe entstand mit spezifischer Aussage. Die Verpackungen reizten in ihrer Verbindung von geschäftstüchtiger Werbegraphik und ihren abstrakten Schachtel-Körpern. Es entstanden seltsame Engelchen. Die ganze Gruppe hatte den Arbeitstitel "Mickey-Mouses". Die einfachste künstlerische Bezugnahme auf die Graphik und auf die Schachtel-Vorgaben ließ sie zu phantastischen Bild-Wesen aufsteigen.

Gerade die Aussichslosigkeit Werbe-Motive und deren Träger aus der Erstarrung zu lösen, konnten für ihn und später für den Betrachter den nötigen Widerstand für neue Bilder bieten.

Seine rein formale Bezugnahme auf das Werbe-Dekor bot ihm dann Zugriffmöglichkeit auf etwas malerisch zunächst äußerst Totes - Arznei-Schachteln. Wichtig war hier die Rückführung in die Malerei. Seltsam plausibel erscheint es, wenn Herbert Warmuth das graphische Farbfeld-Angebot der Verpackung abstrakt in den Umraum, auf dem diese Schachteln aufgebracht waren, überführte. Das Farbspiel und die neue Dimension befreiten von einer falschen Inhaltlichkeit. Der Humor half ihm wohl sich einfach zu bedienen. Die Erfassung des Bild-Umraums als Bild-Element führt zu einer neuen Eindeutigkeit unter malerischen Gesichtspunkten.

Die Verfänglichkeit bei der künstlerischen Nutzung der handelsüblichen Schachteln ist ihm bewußt. Herberth Warmuths Werke vermitteln sinnliche Qualitäten. Man merkt, daß er nach ersten Erfolgen und Zweifeln mit seiner Arbeit differenziertere Schichten aufdeckt. Beim Betrachten treten vordergründige politische und sozialkritische Aspekte zurück. Diesen Aspekten stellt Herbert Warmuth in seinen Werken eine andere Konkretheit entgegen, die zu Beginn der Betrachtung vielleicht belustigt, wie bei den "Mickey-Mäusen" oder überrascht, wie im Fall der um Farbe und Flächen erweiterten "Arznei-Schachteln". Die dritte Dimension der Schachteln, wie auch der umfunktionierten Wasch-Becken und der bearbeiteten Räume ermöglicht sein Bild-Konzept vorran zu bringen. Die neue Behauptung zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Was passiert hier? Denn klar wird, es handelt sich um in sich abgeschlossene erzählerische Bild-Welten. Der ehemalige Realbezug bricht auf. Der Rückweg, das Gesehene überhaupt noch als eine `Arznei-Schachtel an einer Zimmerwand´ oder als `aufgeschnittene Milch-Tüte´ wahrzunehmen, wird weniger wichtig. Es entstehen konkrete Farb-Raum-Landschaften.

Seit den frühen Werkgruppen waren die ersten Ergebnisse einer Phase meist noch ganz der assoziativen Kraft des gewählten Ausgangs-Materials verbunden. Der Betrachter brauchte länger um sich zu lösen. Die Werke zeigen ganz neue Facetten, wenn der Betrachter selbstsicherer wird. Manchmal enstehen Identifikations-Momente, wenn der Betrachter die Kopfformen als `Fehlstellen´ wahrnimmt oder wenn sich im Schauen die "Mäuse" zu Gesichtsmasken wandeln.

In der Betrachtung dieser Werke zeigt sich die Ziel-Richtung, moderne Kunst würde ironisieren, als irrig. Nichts macht sich über den Betrachter-Alltag lustig oder stellt sich letztlich über ihn. Diese Werke wirken als funktionierendes Bild wie selbstverständlich auch zurück auf das Leben. Man kann das kritisch und konstruktiv nennen. Herbert Warmuth erzeugt ein lesbares Angebot, führt einsichtige Regeln vor und beginnt ein Spiel. Dabei bleibt das einzelne, konkrete Bild entscheidend.

Auch die neusten "Flaggen"-Bilder lassen mehrfach diese visuelle Spiel-Ebene erkennen. Sie sind pastos in Öl gemalt, überraschend kräftig in ihrer Farbigkeit. Wie implantiert wirken rechteckig abgesetzte Binnenfelder, die flach und matt in Acryl angelegt sind. Umgekehrt können diese Binnenfelder auch als die Ausgangsflächen für die pastose Ausdehnung auf der Leinwand gesehen werden. Wenn die Farbstreifen konzeptionell zwei "Flaggen" ermöglichen, kann als Teil des Titels die Anzahl dieser Binnenfelder in ein Verhältnis gesetzt werden. Estland-Polen 2:2. Auch ohne den Titel verändert sich im Bild sofort die sozial-politische Assoziation der nationalen Hoheitssymbole. Der Titel holt sie letztlich nur deutlich zurück in eine Spiel-Allegorie. Herbert Warmuth greift deutlich sein Thema: Neue Bilder malen.

Konstantin Adamopoulos