Stefan Gugerel
geboren 1964 in Darmstadt

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Stefan Gugerel exponiert (veraltet für "belichten") Vorgefundenes. Nicht ohne den Wert guter Ironie zu verkennen, setzte er bei einer Ausstellung in der Saalgasse, Frankfurt im Dezember 1998 rekonstruierte Architekturentwürfe von Walter Gropius gegen das postmoderne Ensemblr "Römerberg", zu dem die Straßenrandarchitektur der Saalgasse maßgeblich gehört. Lebkuchen, Schokolade und Zuckerguß waren dafür seine Modellbaumaterialien.

An der Mainpromenade hatte er eines Abends auch etwas vorgefunden - ein imposantes und doch sehr kurzes Naturschauspiel. Genau am 20. August 2000 gegen 21 Uhr 30 trafen sich die weißen Motten zu ihrem alljährlichen Abschlußball an den Lampen, die die Wege am Sachsenhäuser Ufer beleuchten. Kurz entschlossen entschied sich Stefan Gugerel, auf Verdacht Fotos von diesen tanzenden Wolken zu machen. Bei sehr großer Blende ohne Tiefenschärfe stellte er auf circa einen Meter scharf und blitzte in das durch die Lampen mysteriös beleuchtete Geflimmer vor schwarzem Nachthimmel. Seine Frage war, was sich aus diesen vor Ort unklassifizierbaren Morphenen abbilden würde. Diese kleinsten Bedeutungsträger ihrer Existenz wurden an diesem Abend zu formalen Bauelementen einer Gestalteinheit.

Stefan Gugerel trieb sicher kein wissenschaftlicher oder zoologischer Ansatz zu dieser Arbeit. Ihn interessierte das Phänomen und eine Möglichkeit zum Bild, wohlweislich, dass ein Bild gerade etwas anderes ist (Realität) als die Sache selbst (Wirklichkeit). Denn nie lässt sich das Gefliege in diesem ungeordneten Verbund des Lichtes anhalten oder gar fixieren. Er wollte also ein Bild machen von etwas, was nicht sichtbar ist, vergleichbar einem Moment innerhalb eines Schneegestöbers. Diese Bilder entstanden in einem Augenblick von an Wahnsinn grenzender Bewegung der Motten in ihrer Wolke. Der Rat der Motten endete nach einer Stunde im natürlichen Tod der Kleinschmetterlinge. Ein kurzer Moment des Lebens wurde in einem noch kkürzerem Moment des Blitzlichts eingefroren. Stefan Gugerel interessierte fotografisch - man kann nichts wissen, nichts stellen oder vorbereiten, wenn er ins Hlbdunkel hieneinfotografierte - ein konzeptuell kalkulierter Zufall.

Auf dem belichteten Film waren faszinierende, scheinbar den Sternenkosmos bebildernde Landkarten weißer Gestirne auf schwarzem Grund, flächig verteilt oder mit Anhäufungen und Vereinzelungen an den Rändern der Wolke.

Aus dem richtungslosen Geflatter der Motten wurden durch die Fotografien Musteer mit anscheinenden Bewegungsrichtungen, Gewichtungen, Dynamiken. Jetzt sind da engelsgleiche Lichtwesen, Verglühungen und Tiefe.Stefan Gugerel erhielt für das Jahr 2002 ein Stipendium für London von der Hessischen Kulturstiftung. Er schloss 1994 sein Studium an der Hochschule für Gestaltung ab. 1992 war er für ein Jahr an der Hochschule der angewandten Kunst in Wien gewesen. 1994 bis 1995 absolvierte er bei Prof. Norbert Radermacher an der GHK Kassel ein Aufbaustudium.

Stefan Gugerel entwickelt seine Werke meist ortsspezifisch und thematisiert darin gleichermaßen Situationen und deren mögliche Gedankenbilder. Die entstehende Intensität ist immer wie inwendig und transformiert die vorgängigen konzeptionellen Vorstellungen. Im Juni 1999 war er zu einem Projekt mit Kunst im Öffentlichen Raum in Hannover eingeladen. 1998 hatte er bei einem ähnlichen Projekt in einer Fußgängerzone Luftballlons an Kinder verschenkt. Die Ballons waren mit zivilisationskritischen Zitaten aus der Festschrift zum Stadtjubiläum der Stadt Gießen bedruckt, die er aus einer Publikation unter dem Titel "Stadt ohne Hoffnung" von Prof. Heinrich Brinkmann ausgewählt hatte.

"Motten" ist eine 10-teilige Serie von Farbfotografien mit variierenden Motiven in einer Auflage von je drei. Jeder Abzug im Format 100 x 70 cm ist unter Plexiglas headkaschiert und kostet 2500 DM. Informationen unter Telefon (069) 62 22 74.

Konstantin Adamopoulos